Mittwoch, 22. März 2006
Der Schulweg
Früher konnte man noch unbegleitet und zu Fuss in den Kindergarten. Die Strecke zwischen Elternhaus und Chindsgi gehörte mit zur Ausbildung dazu, man lernte da nämlich mindestens so viel wie in der Spielecke. Zum Beispiel, dass Bienen Wasser trinken. Dass Autos bleibende Kratzer kriegen, wenn man mit Steinen den Rauhreif davon wegkratzt. Oder dass man Zeitungen ganz einfach aus Briefkästen entfernen und in andere wieder hineintun konnte. Das taten wir nämlich regelmässig, weil wir es ungerecht fanden, dass die einen viele Zeitungen im Briefkasten hatten und die anderen gar keine. Von uns kriegte jeder einen einzelnen Bund zugeteilt, so dass alle etwas zu lesen hatten.

Oder man lernte auch, dass das beste Hilfsmittel gegen aggressive Chindsgigspänli war, dieses Gspänli für die eigenen Zwecke einzuspannen und die anderen im eigenen Auftrag vertöffeln zu lassen. Ich selbst wurde nur einmal "abgeschlagen", wie wir damals sagten. Aber grundsätzlich gehörte das einfach dazu. Und es wäre niemandem eingefallen, uns deswegen nur in Begleitung in den Chindsgi zu schicken. Es gab aber auch noch nicht so viele Offroader wie heute, und keine Gewaltpräventionsprojekte an Schulen mit Krisenpsychologen.

Für den Schulweg galt das Gleiche. Er war 1 km lang und voller Wunder. Der Weiher zum Beispiel, wo man im Winter zwei Schritte aufs Eis machte, obwohl gleich daneben das Schild stand und man genau wusste, dass die Eltern das verboten hatten. Einmal wollte eine Frau mich und ein Gspänli aufs Eis mit hinausnehmen, sie gehe nämlich jetzt dort raus und das sei sicher lustig, und wenigstens da sagten wir dann klar und deutlich, dass wir nicht mitkommen wollen. Zwei Tage später wurden wir vom Ortspolizisten befragt, weil sich eine Frau im Weiher ertränkt hatte und wir offenbar die letzten waren, die sie lebendig gesehen hatten. Wir hatten auch den Brief gesehen und ihren Hut, den sie beim Baum am Ufer deponiert hatte. Aber gedacht hatten wir uns nichts dabei, wir waren ja erst 8 und lebten in der absoluten Landidylle. Und solche Episoden gehörten einfach dazu. Lustigerweise erinnere ich mich vor allem noch an den Schulweg, wenn ich an die Primarschule denke. Der Rest hat sich verflüchtigt.

Wenn ich die optimale Schulbildung wählen sollte und es stünden die Rudolf Steiner Schule, die Montessorischule und ein selbstbestimmter Schulweg zur Auswahl, würde mir die Wahl jedenfalls nicht schwer fallen.

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